Jahrbuch 2009

Antaiji


Gottfried (46, Psychologe/Unternehmensberater aus München, Deutschland)


Nach meiner Rückkehr wurde ich von Freunden und Kollegen oft nach meinen Erfahrungen gefragt. „Wie war es denn?“ und (manchmal auch unausgesprochen) „hat dir dein Klosteraufenthalt denn was gebracht?“ und – besonders schmerzhaft: „Na, bist du jetzt erleuchtet?“

Bei so viel Aufwand an Vorbereitung, Zeit und auch Geld: da muss schon etwas herausspringen. Da fliegt einer nach Japan und geht in ein Kloster, statt das Land zu bereisen. Kann man das denn nicht auch in Europa haben?

Das, was ich in Antaiji wirklich erfahren habe, kann ich kaum mitteilen. Natürlich habe ich auch viel bekommen und viel Neues kennengelernt. Dabei ist mir z.B. die Begegnung mit Docho-san Muho und den Mitgliedern der Sangha besonders in lebendig in Erinnerung.

Was aber zunächst passiert, ist, dass einem etwas weggenommen wird bzw. man sich etwas wegnehmen lässt, etwas hingibt. Wenn ich mich auf das Leben in Antaiji einlasse, kann ich das nur, wenn ich den unzähligen Impulsen des Ich (Ego) nicht nachgehe. Kein Mensch fragt mich: willst Du das heute essen? Wann möchtest Du sitzen und wie lange? Mit wem möchtest Du im Zimmer wohnen? Was möchtest Du heute machen? Der Klosteralltag verlangt, sich ganz und gar auf das einzulassen, was jetzt gerade dran ist und individuelle Wünsche soweit möglich zurückzustellen. Und das ist richtig schwer, vor allem am Anfang. Aber ich vermute, dass es auch nach längerem Aufenthalt immer wieder Phasen gibt, wo einen das Ego richtig beißt.

In den ersten Wochen hat mir das richtig Angst gemacht. Was machen die hier mit mir? Besondere Schwierigkeiten hatte ich mit der Antaiji-Regel, alles essen zu müssen, was einem serviert wird. Das hat mich oft beschäftigt, doch im Endeffekt wurde ich nie gezwungen, etwas zu essen, was mir widerstrebt hat. Eine weitere spezielle Erfahrung ist es, ständig kritisiert zu werden, weil man etwas „falsch“ macht. Unser Shika hat das seine getan, um diese Erfahrung noch zu verstärken.

Dazu kam, dass auch mein Zazen keineswegs leichter oder tiefer oder „besser“ war, als Zuhause.

Es zog mich weg, ich wollte lieber die wundervolle japanische Küste bereisen, als noch weiter den anstrengenden Klosteralltag ertragen, ohne Highlights, ohne Anerkennung, ohne irgendwas.

Nach 4 Wochen war ich soweit, dass ich die Tage gezählt habe und kurz davor, meinen Rucksack zu packen. An diesem Tiefpunkt traf ich die Entscheidung, da zu bleiben und mich auf das einzulassen, was von mir hier verlangt wird und so gut es geht mitzumachen.

Da passierte etwas Erstaunliches: Die ganze Quälerei war verschwunden und ich erfuhr eine Stimmung von Ausgeglichenheit und einer Art leisen Freude. Mehr und mehr ahnte ich, dass dies genau der Ort ist, an dem die Koans des Lebens entstehen. Das Reiskorn aufheben, den Elektrozaun checken, das Gras schneiden. Und dass es ein Geschenk ist, in der Gemeinschaft zu arbeiten, auf dem Reisfeld im Regen und im Hatake beim Unkraut jäten.

Ich erfuhr, dass es eine große Erleichterung sein kann, wenn ich von der Sklaverei meines Egos (at least some) Abstand gewinnen kann. Es ist, als ob dieses Ich leichter oder durchlässiger wird.

Antaiji wurde mehr und mehr zu einer Heimat für die Seele. Es viel mir schließlich sehr schwer, wieder Abschied zu nehmen und ich war ziemlich traurig.

In diesem Zustand kam ich nach Hause. Dort fanden alle meine inneren Dämonen das Haus leergefegt und führten einen üblen Tanz auf. Übersetzt: Die Strukturen und Muster meines Egos übernahmen nach meiner Rückkehr schnell wieder das Kommando, mit allem damit verbundenen Leiden.´

Ich hatte das Glück, nur wenige hundert Meter von meiner Wohnung ein kleines Zendo zu finden, mit einer autorisierten Lehrerin und einer sehr lebendigen Sangha. Jeden Tag lege ich dankbar das Rakusu an, das mir Docho-san gegeben hat. Es erinnert mich daran, wie ich durch Zazen mit Menschen auf der ganzen Welt verbunden bin.

Danke und gassho an Docho-san und die Sangha!

Photos

Grass-cutting with Kurahashi-san.

After five days sesshin, a little bit desolved, but happy.

Don´t believe if they tell you, there wouldn´t be some fun and even romantic moments at Antaiji ;-)

After planting rice fields at Ryowa-san´s temple. A wonderful day!


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