Antaiji

Klooster van vrede

Die Nacht in der transgalaktischen Eisenbahn
12. Die Delfinschule und der Vogelfluglotse


   Doch da sah Giovanni weit flussabwärts etwas sehr seltsames: Ein langer Körper, schwarz und glatt, erhob sich aus dem transparent-klaren Wasser des Himmelsflusses, schlug einen Bogen in der Luft und verschwand wieder im Fluss. Seltsam, dachte Giovanni, und sah genauer hin: Da, schon wieder, und dieses Mal ganz nah! Bald sah er hier und dort glatte, schwarze Körper in Bögen aus dem Wasser springen und mit dem Kopf zuerst wieder eintauchen. Es schienen Fische zu sein, die flussaufwärts schwammen.
   „Was das nur sein mag, Tada-chan? Sieh doch, wieviele das sind!“, wandte sich Kaoru an ihren Bruder. Der Kleine, der sich eben noch müde die Augen gerieben hatte, stand überrascht auf.
   „Ja, seltsam, was ist das nur?“, fragte nun auch der junge Mann, der sich ebenfalls erhoben hatte.
   „Das sind ja wirklich komische Fische!“
   „Das sind Delfine!“, antwortete Campanella zu Kaoru gewandt.
   „Delfine? Die sehe ich ja zum ersten Mal. Aber wir sind hier doch gar nicht am Meer.“
   „Wer sagt denn, dass es Delfine nur im Meer geben kann?“, ertönte da wieder von irgendwo her jene seltsame, tiefe Stimme, die sie schon früher gehört hatten.
   Tatsächlich bewegten sich die Delfine auf recht wundersame Weise. Die beiden Flossen wie zwei reglose Arme nach unten gestreckt kamen sie aus dem Wasser hervor geschnellt, nur um mit gesenktem Kopf, fast wie zu einer Ehrenerweisung, wieder reglos im Wasser zu verschwinden. Das unsichtbare Wasser des Flusses schlug dabei Wellen, die wie blaue Flammen aufflackerten.
   „Sind Delfine Fische?“, fragte das Mädchen Campanella. Ihr Bruder war inzwischen wieder vollkommen übermüdet auf seinem Sitz eingenickt.
   „Delfine sind keine Fische. Das sind Säugetiere, so wie die Wale.“, antwortete ihr Campanella.
   „Hast Du denn schon einmal Wale gesehen?“
   „Ja, habe ich. Allerdings kann man nur den Kopf und die Schwanzflosse sehen. Wenn sie eine Fontäne ausstoßen, sieht das aus wie im Bilderbuch.“
   „Wale sind sehr groß, nicht wahr?“
   „Ja, die sind in der Tat sehr groß. Selbst die Walkälber sind so groß wie Delfine.“
   „Jetzt erinnere ich mich: Die kommen in den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht vor!“, sagte Kaoru ganz Feuer und Flamme, während sie mit dem feinen silbernen Ring an ihrem Finger spielte.
   Campanella, ich gehe jetzt gleich allein los. Wale habe ich doch noch nie gesehen!
   Giovanni stand kurz vor dem Explodieren. Er biss sich aber fest auf die Lippen und starrte aus dem Fenster. Draußen war von den Delfinen jetzt keine Spur mehr zu sehen. Der Fluss gabelte sich um eine Insel, auf der ein sehr, sehr hoher Hochsitz errichtet war. Ein Mann mit Plunderhosen und rotem Hut stand darauf. In den Händen hielt er zwei Fahnen, eine rote und eine blaue. Er blickte zum Himmel auf und gab Zeichen. Für eine Weile schwenkte der Mann nur die rote Fahne in der Luft. Doch plötzlich senkte er die rote Fahne, versteckte sie hinter seinem Rücken und begann dafür die blaue Fahne hoch über seinem Kopf wie den Taktstock eines Dirigenten wild zu bewegen. Da erklang vom Himmel her ein Geräusch, als wäre ein plötzlicher Regenschauer ausgebrochen. Wie Gewehrkugeln schossen mit einem Mal unzählige pechschwarze Gestalten über den Fluss hinweg. Gebannt lehnte Giovanni den Oberkörper aus dem Fenster heraus, um sie besser verfolgen zu können. Mit lärmendem Gekreische flogen unter dem wunderschönen violetten Himmel, weit und wolkenlos, zehntausende von kleinen Vögeln über seinen Kopf hin, ein Schwarm nach dem anderen.
   „Da ziehen die Vögel dahin!“, rief Giovanni mit dem Kopf aus dem Fenster.
   „Wo?“, auch Campanella blickte jetzt zum Himmel auf. Da hob der Mann in der Plunderhose auf dem Hochsitz plötzlich wieder die rote Fahne und schwang sie wie verrückt in der Luft. Im selben Moment als die Vogelschwärme stillhielten, war weiter flussabwärts ein dumpfes Platschen zu hören. Für eine Weile war es still. Doch der rotmützige Fluglotse hob auch schon wieder die blaue Fahne. Seine Stimme war klar und deutlich zu vernehmen: „Zeit zum Ziehen, Zugvögel. Zeit zum Ziehen!“
   Und wieder schossen Myriaden von Vogelschwärmen in einer Linie unter dem Himmel dahin. Jetzt blickte auch das Mädchen aus dem mittleren Fenster, aus dem sich auch Giovanni und Campanella lehnten. Die Wangen ihres Gesichtes waren strahlend schön.
   „Wie viele Vögel das sind! Und wie schön der Himmel ist!“, sagte sie zu Giovanni. Wie aufdringlich sie doch ist!, dachte Giovanni und blickte stumm auf zum Himmel. Kaoru seufzte leise und ging schweigend zu ihrem Platz zurück. Das tat Campanella leid, der seinen Kopf wieder einzog und auf seine Kartentafel blickte.
   „Unterrichtet der Mann die Vögel?“, fragte Kaoru Campanella vorsichtig.
   „Er gibt Signale an die Zugvögeln weiter“, antwortete Campanella etwas unsicher, „ich glaube, er sieht irgendwo Rauchzeichen aufsteigen.“
   Im Zugabteil wurde es danach leise. Giovanni hätte nun auch gerne den Kopf eingezogen, doch es war ihm zuwider, sein Gesicht im hellen Licht zu zeigen. Deshalb blieb er stehen und pfiff vor sich hin.
   Warum fühle ich mich nur so verloren? Ich muss mein Herz weiter öffnen, gelassener sein. Sieh: Die kleine, blau rauchende Flamme, fern am Horizont hinter dem Fluss. Ganz still ist die und kalt. Die will ich betrachten bis sich mein Geist beruhigt.
   Giovanni blickte in die Ferne. Er hatte beide Hände gegen die Schläfen gepresst, die so heiß waren, dass es ihn schmerzte.
   Gibt es letztlich doch niemanden, der mit mir bis ans Ende der Welt gehen würde? Wie vergnügt sich selbst Campanella mit diesem Mädchen unterhält, während ich hier allein und traurig bin.
   Giovannis Augen füllten sich wieder mit Tränen. Den Himmelsfluss sah er nur noch weißlich verschwommen, so als wäre er in weite Ferne gerückt. In der Zwischenzeit hatte sich die Eisenbahn wirklich vom Fluss entfernt und fuhr jetzt am Rand einer Klippe entlang. Auch am anderen Ufer war eine schwarze Felsküste zu sehen, die immer höher wurde, je tiefer der Fluss abwärts strömte.
   Da erblickte Giovanni eine große Maisstaude. Ihre Blätter waren aufgerollt, und unter den Blättern waren schöne grüne Kolben zu erkennen, an deren Spitzen rote Härchen wuchsen. In den Kolben waren Maiskörner versteckt wie Perlen. Und nun wurden es mehr und mehr Stauden, die sich zwischen den Bahngeleisen und der Klippe aufreihten. Unwillkürlich zog Giovanni den Kopf ein, um aus dem Fenster auf der anderen Seite zu blicken. Auch dort füllten jetzt prächtige Maisstauden das weite Himmelsfeld fast bis zum Horizont, die sich raschelnd im Wind bewegten. Sie hatten Diamanten an den Spitzen ihrer großen, zusammen gerollten Blätter gesammelt, die die Sonnenstrahlen des Tages in sich aufgesogen hatten. Tautropfen, die in Rot und Grün und allen möglichen Farben glitzerten.
   „Das ist Mais, nicht wahr?“, wandte sich Campanella an Giovanni, doch der hatte noch immer keine gute Laune. Das Gesicht abgewandt sagte er grob: „Ach, was du nicht sagst.“

13. Der tanzende Indianer


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