Antaiji

Kloster des Friedens

ZAZEN-YÔJINKI
Punkte, auf die beim Zazen zu achten ist


Zazen läßt den Menschen bald seine Geisteskraft öffnen und im ursprünglichen Bereich Wohnung nehmen. Man heißt dies das ursprüngliche Antlitz offenbaren oder auch das Licht des Urstandes aufstrahlen lassen. Leib und Geist fallen miteinander aus, losgelöst in gleicher Weise von Hocken und Liegen. Man denkt weder Gut noch Böse, transzendiert profan und heilig, überschreitet die Begriffe von Verwirrung und Erleuchtung und weilt fern der Bereiche der Lebewesen und Buddhas.

Darum laß alle Dinge ruhen, wirf alle Gegenstände von dir, tue in allem nichts und lasse die sechs Organe nicht wirken. Wer ist ein solcher? Von jeher kennt man nicht seinen Namen. Man darf ihn nicht Leib, man darf ihn nicht Geist nennen. Willst du ihn denken, so schneide deine Gedanken ab, willst du ihn sagen, so schwinden deine Worte. Er ist wie ein unwissender Tor, wie eine steile Wand, hoch wie der Berg und tief wie das Meer, du vermagst nicht den Gipfel zu zeigen, nicht den Grund zu schauen. Er beleuchtet ohne das Gegenüber von Gegenständen, sein Auge jenseits der Wolken ist klar, durchdringend ohne Denken, die Wahrheit ist licht im Schweigen und Deuten. Im Hocken übersteigt er das All, der ganze Leib ist in völliger Einsamkeit offenbar.

Der unauslotbare große Erleuchtete ist gleich dem großen Toten, keine Trübung hindert sein Auge, kein Staubkorn hemmt seinen Fuß. Wo ist etwas, das ihn beflecken könnte, was könnte ihn hindern? Klares Wasser hat ursprünglich weder Vorderseite noch Rückseite, der leere Raum kein Innen und Außen, durchsichtiger Kristall leuchtet aus sich selbst wunderbar. Wenn Form und Leere noch ungetrennt sind, wie können da Objekt und Subjekt entstehen?

Von je wohnt es mit uns, in unermeßlicher Zeitfolge gibt es keine Namen. Der dritte Patriarch und Großmeister gab einstweilig den Namen "Geist", der ehrwürdige Nagarjuna nannte es vorläufig "Leib". Die Form der Buddha-Natur aufweisend und den Leib aller Buddhas offenbarend, diese Vollmondgestalt, an der nichts fehlt und nichts zuviel ist: dieser Geist ist der Buddha. Das Licht des Selbst leuchtet von ehedem bis jetzt, nimmt sich wandelnd die Gestalt des Nagarjuna an und wirkt das Samadhi aller Buddhas. Der Geist hat ursprünglich nicht zwei Gestalten, der Leib zeigt vielfache Gestalt. Nur-Geist und Nur-Leib erklären weder Verschiedenes noch Gleiches. Der Geist wird sich wandelnd Leib, der Leib teilt sich erscheinend in Gestalten. Wenn eine Welle sich leise bewegt, folgen alle Wellen, wenn eine Gegenstandserkenntnis entsteht, kommen wetteifernd alle Dharma auf. Wenn sich die vier Elemente und die fünf Skandha vereinigen, erscheinen allsogleich die vier Glieder und fünf Organe. überdies entstehen die 36 Dinge und zwölf Ursachenverknüpfungen, sie fließen dahin, wandeln sich und folgen aufeinander. Alle Dharma-Gestalten verbinden sich. Deshalb ist der Geist gleich dem Wasser des Meeres, der Leib aber gleicht den Wellen. Wie es keine Welle außerhalb des Meerwassers gibt, so gibt es außerhalb der Wellen keinen Tropfen Wasser. Wie Wasser und Welle untrennbar sind, so sind Bewegung und Ruhe nicht verschieden. Deshalb heißt es: Geburt und Tod, Vergangenheit und Zukunft sind der wahre Mensch, die vier großen Elemente und die fünf Skandha sind der unzerstörbare Leib".

Zazen bedeutet, in das Meer der Buddha-Natur eintauchen und den Leib aller Buddhas manifestieren. Plötzlich offenbart sich der ursprüngliche, wunderbare, lautere und klare Geist, überall leuchtet das anfängliche außerordentliche Licht. Es gibt kein Wachsen noch Abnehmen des Meerwassers, die Wellen kennen kein Zurückweichen. Alle Buddhas erscheinen wegen der einen großen Angelegenheit in der Welt, lassen die Lebewesen sich dem Buddha-Wissen öffnen und in die Erleuchtung eingehen. Diese stille, lautere, wunderbare Kunst heißt Zazen. Dieses ist das Samädhi des Selbstgenusses aller Buddhas und wird auch das "königliche Samadhi" genannt. Wenn einer einen Augenblick in diesem Samädhi wohnt, so öffnet er allsogleich den Geist; es ist in Wahrheit das Haupttor des Buddha-Weges.

Wer seinen Geist zu öffnen und zu erhellen wünscht, muß die Vielfalt von Wissen und Verstehen von sich werfen, den Dharma der Welt und den Dharma des Buddha aufgeben, alle Trübungen abschneiden. Wenn der eine wirkliche, wahre Geist in die Erscheinung tritt, so hellen sich die Wolken der Trübung auf, und der Mond des Geistes wird aufs neue klar. Der Buddha spricht: Hören und Denken weilen gleichsam in der Fremde, Zazen ist fürwahr Stillsitzen nach der Heimkehr ins Vaterhaus. Wahrlich, beim Hören und Denken kommen Lehrmeinungen nicht zur Ruhe, der Geist bleibt gehemmt, deshalb ist es wie Verweilen in der Fremde. Beim bloßen Zazen ist alles still und in Ruhe, nichts ist undurchdringlich. Deshalb gleicht es dem Stillsitzen nach der Heimkehr ins Vaterhaus.

Die Leidenschaften der fünf Verdüsterungen entstehen alle aus dem Nichtwissen. Das Nichtwissen hellt das Selbst nicht auf, das Zazen hellt das Selbst auf. Wenn einer auch die fünf Verdüsterungen ausräumt, er zählt nicht zu den Buddhas und Patriarchen, solange er das Nichtwissen nicht überwindet. Wenn einer das Nichtwissen zu überwinden verlangt, so liegt das Geheimnis in der Übung des Zazen.

Ein alter Meister spricht: Wenn die Trübung aufhört, so entsteht Stille. Wenn die Stille entsteht, so scheint Weisheit auf. Wenn Weisheit aufscheint, so offenbart sich das wahre Wesen. Wenn du die Trübung des Geistes überwinden willst, mußt du das Denken an Gut und Böse aufgeben. Auch mußt du alle Gegenstandseindrücke von dir werfen, dein Geist darf nichts denken und dein Leib darf nichts tun. Dies ist als erstes zu merken. Wenn die Trübungen durch die äußeren Gegenstände erlöschen, so schwinden zugleich auch die Trübungen des Geistes. Wenn die Trübungen dahinschwinden, so tritt das unveränderliche Wesen in die Erscheinung. Weil du es immer vollkommen weißt, ist es weder totenstill noch in Bewegung.

Von allen Techniken und Künsten, Weisen und Wegen, von Medizin, Richtungsdeutung und Wahrsagerei mußt du dich fern halten. Noch viel weniger darfst du dich Gesang und Tanz, Freudenmädchen und Musik, Wortstreit und leerem Disput, Ehre und Gewinn nahen. Zwar können Dichtung und Lieder das Herz reinigen, doch beschäftige dich nicht mit Vorliebe damit! Literatur, Pinsel und Tuschstein aufgeben, lehrt das hervorragende Beispiel derer, die den Weg übten. Dies ist sehr wichtig für die Ordnung des Geistes.

Du darfst weder schöne noch schmutzige Kleidung tragen. Schöne Kleider erregen die Gier. Auch sind Diebe zu befürchten, deshalb sind sie für den Übenden ein Hindernis. Auch wenn jemand aus besonderem Grunde solche schenkt, so lehrt doch das gute Beispiel der Alten, sie nicht anzunehmen. Und auch wenn du solche von früher her besitzest, sollst du ihnen keine Aufmerksamkeit zuwenden. Selbst wenn Diebe sie rauben, sollst du diesen nicht nacheilen und dich nicht betrüben. Schmutzige und alte Kleider mußt du waschen und ausbessern, Schmutz entfernen und sie gereinigt anziehen. Wenn du Schmutz nicht entfernst, wird der Körper kalt und Krankheit entsteht. Auch dies ist ein Hindernis für die Übung.

Wenn man auch nicht um das leibliche Leben bekümmert ist, so werden doch Mangel an Kleidung, Mangel an Speise und Mangel an Schlaf die drei Mängel genannt: alle drei werden zum Grund für Trägheit (in der Übung). Rohe, harte (unverdauliche), verdorbene, unsaubere Speisen soll man nicht essen, weil sie im Magen Unruhe stiften, im Leib Fieber und im Geist Betrübnis verursachen und das Zazen stören. Man darf nicht an wohlschmeckenden Speisen hängen. Solche schaden nicht nur Leib und Geist, sondern schaffen auch gierigen Gedanken Einlaß. Die Speise soll bloß das Leben erhalten, nicht aber den Geschmack ergötzen. Nach reichlichem Essen in Meditation hocken läßt Krankheit entstehen. Nach großen oder kleinen Mahlzeiten kann man nicht sogleich hinhocken. Erst nach einer kurzen Weile ist man zum Zazen fähig. Die Mönche müssen unbedingt beim Essen Einschränkung üben. Einschränkung heißt das Maß begrenzen: von drei Teilen zwei Teile essen und einen Teil übriglassen. Alle Heilkräuter, Sesam, Yamswurzeln soll man immer nehmen. Dies ist wichtig für die Ordnung des Leibes.

Beim Zazen darf man sich nicht an Wand, Meditationsstützbalken oder Wandschirm anlehnen. Auch übe Zazen nicht an einem Ort, der heftigem Wind ausgesetzt ist, noch steige zu einem hohen Platz mit Fernblick empor! All solches läßt Krankheiten entstehen. Wenn beim Zazen der Leib sich hitzig oder kalt, unbehaglich oder wohl, hart oder weich, schwer oder leicht oder sonst irgendwie seltsam anfühlt, so ist allemal der Atem nicht in Ordnung. Man muß ihn unbedingt ordnen. Die Ordnung des Atems geschieht, indem man eine Weile den Mund öffnet, und wenn der Atem lang ist, sich dem langen Atem überläßt, wenn der Atem kurz ist, sich dem kurzen Atem überläßt und so langsam diesen ordnet. So verfährt man eine Weile: wenn man dabei das Erleuchtungswirken wahrnimmt, ordnet sich der Atem von selbst. Danach soll man sich wieder dem Zug der Nasenatmung überlassen.

Wenn der Geist gleichsam einsinkt oder aufsteigt, wenn er dumpf oder scharf wird, (durch Wände und verschlossene Türen) die Dinge draußen schaut oder das Innere des Leibes durchschaut, wenn er den Buddha-Leib oder einen Bodhi-sattva sieht, wenn er eine Wissensschau erweckt oder Sutren und Sastren erkennt, -alle derartigen merkwürdigen Dinge und ungewöhnlichen Zustände sind Krankheitserscheinungen, die aus der Ungeordnetheit des Denkens und des Atems entstehen. Zur Zeit der Krankheit läßt man den Geist während des Hockens über den beiden Fußsohlen ruhen. Beim Versinken ins Dunkel läßt man den Geist am Rande der Haare oder zwischen den Augenbrauen ruhen. Bei Zerstreuung läßt man den Geist auf der Nasenspitze oder unter dem Nabel ruhen. Beim gewöhnlichen Sitzen ruht der Geist in der linken Handfläche. Bei längerem Sitzen zerstreut sich der Geist, auch ohne Ruhen (an einer bestimmten Stelle), von selbst nicht.

Selbst die Lehren der Alten soll man, obwohl sie den Geist erhellende Unterweisungen der Schule sind, nicht viel anschauen, niederschreiben oder hören. Wenn man solches viel tut, so wird es zu einer Ursache der Geisteszerstreuung. Alle Ermüdung von Leib und Geist kann Krankheit verursachen. übe Zazen nicht an Orten, wo Gefahr von Feuer, Wasser, Sturm und Räubern droht, noch auch am Meeresstrand oder in der Nähe von Weinschänken, Freudenhäusern, bei den Wohnungen von Witwen, jungen Mädchen und Sängerinnen! Wohne auch nicht in den Häusern von Königen, Ministern und Mächtigen noch in der Nähe von gierigen, ehrsüchtigen, streitliebenden Menschen!

Große Buddha-Feiern und gewaltige Tempelbauten sind zwar sehr gute Werke, aber wer sich ganz dem Zazen widmet, darf solche nicht üben. Auch darf er nicht Predigt und Lehrvortrag lieben, weil dadurch Zerstreuung des Geistes und ungeordnete Gedanken entstehen. An großem Zusammenlauf von Menschen darf er sich nicht ergötzen noch gierig nach Jüngern verlangen. Vielerlei Übung und mannigfaches Studium soll er nicht betreiben.

Übe nicht Zazen an einem Ort, der sehr hell oder sehr dunkel, sehr kalt oder sehr heiß ist, noch auch nahe bei sich vergnügenden Menschen oder Freudenmädchen! In der Zen-Halle, bei gutem Meister, in tiefem Wald oder dunklem Tal darf man getrost verweilen. Bei klarem Wasser und auf lichter Berghöhe ist der Ort für das Gehen, im Talgrund und unter Bäumen ist der Ort für die Klärung des Geistes. Man möge die Vergänglichkeitsschau nicht vergessen, weil sie den Geist zur Suche nach dem Weg anspornt.

Die Sitzmatte soll man dick ausbreiten, so hockt man bequem. Der Übungsort sei sauber. Wenn man beständig Weihrauch brennt und Blumen darbringt, sind die guten Schirmgötter des Dharma, die Buddhas und Bodhisattvas zugegen und verleihen Schutz. Wenn man Bilder der Buddhas, Bodhisattvas und Arhats verehrt, vermögen alle Teufel und Dämonen nicht zu nahen. Stets wohne im großen Erbarmen und wende die unermeßlichen Verdienste des Zazen allen Lebewesen zu! Laß keinen Hochmut, kein

Selbstgefühl, keine Überheblichkeit gegenüber dem Dharma aufkommen! Solches ist die Weise der Ungläubigen und Unerleuchteten. Wenn man entschieden die Leidenschaften zu durchbrechen und mit aller Kraft die Erleuchtung zu erlangen wünscht, muß man ausschließlich Zazen und in allem das Nichttun üben. Dies ist die wichtige Regel für das Zazen. Immer muß man Augen und Füße waschen, Leib und Geist stille halten und die Körperhaltungen ordnen. Weltliche Gefühle muß man aufgeben, auch darf man nicht an Erleuchtungsgefühlen haften. Mit der Lehre des Dharma soll man nicht kargen, doch lehre nicht ungebeten! Man befolge die Regel der dreimaligen Bitte und richte sich nach den vier Wesensstücken (des Lehrens)! Wenn man zehnmal zu sprechen wünscht, soll man neunmal schweigend von dannen gehen. Um den Mund wächst Schimmel; es ist wie mit einem Fächer im Dezember; wie eine Glocke in der leeren Luft nicht antwortend auf den Wind aus den vier Himmelsrichtungen, so ist die Wesensart des Jüngers des Weges. Er hat den Dharma und begehrt nichts von den Menschen, er hat den Weg und rühmt sich nicht. Dies ist wichtig.

Zazen gehört nicht zu Lehre, Übung und Erleuchtung, aber enthält diese drei Tüchtigkeiten. Erleuchtung, die das Warten auf das Satori-Erlebnis zur Norm nimmt, ist nicht das Wesen des Zazen. Übung, die die Verwirklichung der Wahrheit übt, ist nicht das Wesen des Zazen. Lehre, die das Überwinden des Bösen und Üben des Guten lehrt, ist nicht das Wesen des Zazen. Auch wenn man im Zen Lehre aufstellt, so ist es nicht die gewöhnliche Lehre. Beim Weg des unmittelbaren Zeigens in einliniger Überlieferung ist der ganze Leib ganz und gar Predigt, die Worte sind keine Sätze. Wo die Absicht versagt und die Vernunft am Ende ist, umfaßt ein Wort alles. Wo kein Haar zur Geltung gebracht wird, ist da nicht die wahre Lehre der Buddhas und Patriarchen?

Wenn man auch von Übung spricht, so ist es die Übung des Nichttuns. Der Leib bewegt sich nicht, der Mund rezitiert keine Geheimformeln, der Geist hat keine Gedanken. Die sechs Organe sind von selbst lauter, und alles ist fleckenlos. Nicht die sechzehn Übungen der Sravaka, nicht die zwölf Übungen des Pratyeka-Buddha, nicht die alle Übungen enthaltenden sechs Paramitä des Bodhisattva, sondern das Nichttun von allem heißt Buddhawerden. Nur im Samädhi des Selbstgenusses aller Buddhas wohnen, sich ergötzen in den vier beglückenden Übungen des Bodhisattva, - ist das nicht die tiefe, wunderbare Übung der Buddhas und Patriarchen?

Oder wenn man auch Erleuchtung lehrt, ohne Erleuchtungs(-Übung) erleuchtet sein, ist das königliche Samadhi, das Samadhi des ungeborenen Wissens, das Samädhi des All Wissens, das Samadhi des ursprünglichen Wissens, das Aufspringen des lichten Tores der Weisheit des Vollendeten und des Dharma-Tores der großen Beglückung. Die Unterschiede von Erleuchtetem und Unerleuchtetem, von Trübung und Erleuchtung hinter sich lassend, ist dieses nicht das Erlebnis der ursprünglichen großen Erleuchtung?

Ferner gehört das Zazen auch nicht zu Gebot, Versenkung und Weisheit, aber es enthält diese drei Disziplinen. Gebot heißt das Unrechte verhindern und das Böse hemmen. Zazen schaut das Ganze ohne Dualität, verwirft alle Erscheinungen und läßt alle Gegenstände ruhen, kümmert sich nicht um Buddha-Gesetz und Gesetz der Welt, vergißt beide, nämlich das Gefühl des Buddha-Weges und das Gefühl der Welt, kennt weder richtig noch falsch, weder gut noch böse. Wie gäbe es da Verhindern und Hemmen? Dieses ist das Gebot des gestaltlosen Geistes.

Versenkung ist ungeteilte Kontemplation. Zazen bedeutet das Ausfallen von Leib und Geist, die Trennung von Trübung und Erleuchtung, ein Zustand ohne Veränderung und ohne Bewegung, ohne Tun und ohne Dunkel, gleichsam wie von Sinnen, wie eine steile Wand, wie der Berg und wie das Meer. Die beiden Formen von Bewegung und Ruhe entstehen offensichtlich nicht. Dieses ist Versenkung ohne die Form der Versenkung. Weil die Form der Versenkung fehlt, heißt sie die "große Versenkung".

Weisheit bedeutet Wählen und Verwerfen in vollkommener Erkenntnis. Beim Zazen erlöscht von selbst die Erkenntnis (von Gegenständen), die Bewußtseinstätigkeiten fallen für immer in Vergessenheit. Der ganze Leib wird zum Weisheitsauge und schaut ohne Wählen und Werten klar die Buddha-Natur. Ohne Verwirrung durch eine ursprüngliche Trübung schneidet (das Weisheitsauge) die Wurzeln des Bewußtseins ab, alles klar durchdringend. Dies ist die Weisheit ohne die Form der Weisheit. Weil die Form der Weisheit fehlt, heißt sie die "große Weisheit".

Die Lehren aller Buddhas und die verschiedenen Lehrstufen der Predigt des Ehrwürdigen w sind alle in Gebot, Versenkung und Weisheit enthalten. Im Zazen wird alles Gebot beobachtet, alle Versenkung geübt und alle Weisheit realisiert. Die Bezwingung des Bösen (Mara), die Erlangung der Erleuchtung, das In-Bewegung-Setzen des Dharma-Rades und das Eingehen in das Nirvana beruhen alle auf dieser Kraft. Wunderkräfte, außergewöhnliche Tätigkeiten, Lichtstrahlen und Verkündigung des Dharma beruhen alle auf dem Zazen. Und auch die Übung des Zen ist Zazen.

Wenn du Zazen üben willst, so ist zunächst ein ruhiger Ort dafür gut. Breite ein Sitzkissen dick aus! Laß Wind und Rauch nicht eindringen. Regen und Tau keinen Schaden tun! Nimm genügend Raum für die Kniee, reinige den Ort des Zazen! In alter Zeit saß man im Diamantsitz und Spuren zeugen vom Hocken auf Felsen, doch hockt man nicht ohne Sitzkissen. Der Platz des Hockens sei bei Tag nicht hell und bei Nacht nicht dunkel, im Winter warm und im Sommer kühl, so lautet die Anleitung.

Wirf ab Geist, Wollen und Bewußtsein, laß Gedanken, Vorstellungen und Sehen ruhen, denke nicht daran Buddha zu werden! Urteile nicht über richtig und falsch! Bei Tag und bei Nacht nutze die Zeit, als ob du Feuer am Kopf löschen müßtest! Das Sitzen in Meditation des Vollendeten, die Wand-Meditation im Tempelkloster Shao-lin waren nichts anderes als ausschließliches Zazen in völliger Konzentration. Shih-shuang vergleicht es mit einem dürren Baum, Ju-ching vom Berg Ta-po schalt (ob des Schlafens bei der Übung). Ohne Weihrauchbrennen und Verehrung, ohne Anrufen des Buddha-Namens und Reuezeremonie, ohne Sutrenrezitation und Beschwörungsriten erlangt man durch ausschließliches Zazen die Erleuchtung.

Bei der Übung des Zazen soll man das Mönchsgewand (kesa) anlegen (außer am frühen Morgen vor Beginn des rituellen Tagesablaufes und am späten Abend) und es nicht weglassen. Das Sitzkissen (von einem Durchmesser von 1 shaku 2 sun und einem Umfang von 3 shaku 6 sun) darf die Sohlen nicht ganz stützen, es reicht von der Mitte der Fußsohle nach hinten bis unter den Knochen der Rückenmarksäule. So ist es die Hockart der Buddhas und Patriarchen. Man sitzt im Verschränkungssitz oder halben Verschrän-kungssitz. Beim Verschränkungssitz legt man zuerst den rechten Fuß über den linken Oberschenkel, dann den linken Fuß über den rechten Oberschenkel. Die Kleidung legt man locker an (das Unterkleid ist mit einem Band gegürtelt), aber sie sei ordentlich. Dann läßt man die rechte Hand auf dem linken Fuß, die linke Hand auf der rechten Hand ruhen, bringt die einander entgegengestellten Daumen beider Hände sich stützend in die Nähe des Körpers, die gestützten Daumen ruhen gegenüber dem Nabel. Der Körper soll gerade hocken, ohne nach links oder nach rechts zu neigen oder sich nach vorn oder nach rückwärts zu beugen. Ohren und Schultern, Nase und Nabel müssen unbedingt einander gegenüberstehen, die Zunge haftet am oberen Gaumen, der Atem geht durch die Nase, Lippen und Zähne sind geschlossen, die Augen sollen nicht zu weit und nicht zu eng geöffnet sein. Wenn so der Körper in Ordnung ist, atmet man tief, einmal oder zweimal stößt man mit offenem Mund die Luft aus. Dann wiegt man, fest sitzend, den Körper sieben- oder achtmal, anfangs kräftiger, dann immer leichter, bis der Körper in unbewegter Steilheit dahockt. Nun denke das Nichtdenken! Wie soll man es denken? Nichtdenken, dies ist das Wichtigste beim Zazen. Man durchbricht die Leidenschaften und erlangt die Erleuchtung.

Wenn man von der Meditation aufstehen will, legt man zunächst beide Hände geöffnet auf beide Kniee, wiegt den Körper sieben- oder achtmal, anfangs leicht, dann bis zu kräftiger Bewegung. Man öffnet den Mund und stößt die Luft aus, dann spreizt man beide Hände und preßt den Boden. Leicht erhebt man sich aus dem Sitz und geht langsam im Kreis rund von links nach rechts und von rechts nach links.

Wenn einem beim Hocken Tiefschlaf ankommt, so soll man beständig den Körper bewegen oder die Augen aufreißen, oder man soll den Geist auf dem Kopfscheitel oder am Rand der Haare oder zwischen den Augenbrauen ruhen lassen. Wenn man sich so noch nicht wachhalten kann, so soll man mit den Händen die Augen wischen oder den Körper reiben. Wenn du immer noch nicht wach bleiben kannst, so steh vom Sitz auf und geh nach links im Kreis rund! Wichtig ist, daß dies in der richtigen Ordnung geschieht. Wenn du hundert Schritte getan hast, bist du gewiß von der Schläfrigkeit erwacht. Das Schrittmaß beim Gehen ist jeweils ein halber Schritt bei einmaligem Ein- und Ausatmen. Beim Gehen halte dich wie beim Nichtgehen ruhig ohne Bewegung! Wenn du bei solchem Rundgehen dennoch nicht erwachst, so wasche die Augen, kühle den Kopf oder sage die Einleitung zum Brahmajala-sutra her! Schüttle so den Schlaf auf vielerlei Weise ab! Bedenke die Wichtigkeit von Leben und Tod und die rasche Vergänglichkeit, ferner was es heißt schlafen, ohne noch das Erleuchtungsauge geklärt zu haben! Wenn die Schläfrigkeit immer wieder kommt, so sprich betend: Wegen eines bösen Karma ist die Gewohnheit stark, wann werde ich aus dem Dunkel des Schlafes erwachen? Mögen die Buddhas und Patriarchen mich mit großem Erbarmen vom Leid der Schläfrigkeit befreien!

Wenn der Geist sich zerstreut, so laß den Geist auf der Nasenspitze oder unter dem Nabel ruhen und zähle das Ausatmen und Einatmen! Wenn der Geist noch nicht zur Ruhe kommt, so nimm ein Koan und wecke dich auf! Zum Beispiel: Was ist das, was da so daherkommt? Oder die Buddha-Natur des Hundes - Mu, oder der Berg Sumeru des Yün-men, oder der Lebensbaum des Chao-chou. Solche ungewöhnliche Sprüche sind geeignet.

Wenn sich der Geist immer noch nicht beruhigt, übe mit letztem Einsatz im Hinblick auf den Augenblick, wo der Atem abbricht und die Augen für immer erlöschen, oder auch im Hinblick auf den Augenblick vor der Empfängnis im Mutterleib und dem Entstehen des einen Gedankens. Wenn plötzlich die Leere von beidem (nämlich Subjekt und Objekt) erscheint, weicht bestimmt die Zerstreuung des Geistes.

Wenn du nach dem Aufstehen von der Meditation ohne zu denken die Körperhaltung einnimmst, so erscheint das Koan. Wenn du ohne Unterscheidung Übung und Erleuchtung manifestierst, so erscheint das Koan. Was vor einem Zeichen und jenseits dem Zeitalter (Kalpa) der Leere ist, der Kern des wunderbaren Wirkens der Buddhas und Patriarchen ist nur dieses Eine. Laß allsobald die Dinge ruhen und schwinden, entweiche in ein kühles Land, in das Nu der zehntausend Jahre, in (die Leblosigkeit) kalter Asche und eines dürren Baumes, in den Weihrauchduft eines alten Grabes, in einen Faden weißer Seide! Dieses ist mein allerhöchstes Beten.

(Diese Übersetzung stammt aus dem inzwischen nicht mehr verfügbaren Buch "Dogen Zen - Kleine Schriften der Soto-Schule" von Heinrich Dumoulin. Der ursprüngliche Titel dieses Textes ist: "Merkbuch für die Übung des Zazen")


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