Die Aufgabe des Leidens?
Oliver (31, Industriekaufmann, Giessen)
Nach fünf Jahren Praxis führte mich mein Weg im April diesen Jahres nach Antaiji, endlich. Vor 2 Jahren habe ich das erste mal von Antaiji und Abt Muho gehört und auf einen seiner Deutschlandbesuche die Gelegenheit gehabt ihn „life“ zu erleben. Nach diesem Ein-Tages Sesshin setzte sich bei mir der Gedanke fest, eines Tages dorthin aufzubrechen um die „wirkliche“ Praxis, das ursprüngliche ZaZen kennen und praktizieren zu lernen, so dachte ich! In meiner Zen-Gruppe wird in der Linie von Deshimaru Roshi praktiziert, und witzigerweise erst durch meine Recherchen fand ich heraus das er ein Schüler von Kodo Sawaki war, und dieser wiederrum einer der prägendesten Äbte von Antaiji und des letzten Jahrhunderts. Als ich dann noch die Biographie des derzeitigen Abtes las, war ich völlig fasziniert.
Schon seit Jahren von einer inneren Unruhe getrieben, stellte ich mir vor das dies auch mein Leben sein könnte, das es soetwas im 21. Jahrundert noch gibt, ein einfaches, natürliches Leben, ohne grosse Begierden und Wünsche in einer Gemeinschaft mit Gleichgesinnten zu leben und praktizieren.
Im Herbst letzten Jahres gab es u.a. wegen dieser grossen inneren Unruhe einen grossen Umbruch in meinem Leben, altes aufgeben, etwas neues finden. Das versuchte ich durchs Reisen, und so kam sofort wieder Japan in den Sinn. Mit einem Working-Holiday-Visa in der Tasche bestieg ich dann im Januar den Flieger nach Tokio mit dem festen Vorsatz und einer gewissen Vorfreude nun endlich Antaiji mit seinem ursprünglichen, natürlichen Zen zu erleben, mit dem Körper und nicht mehr nur in der Vorstellung!
Nach 3-monatigen leben und arbeiten im Raum Tokio, war es dann Anfang April so weit, mit fünf weitern Neuankömmlingen erreichte ich Antaiji. Ich hatte keinen Zeitplan oder genaue Vorstellung wie lange ich bleiben wollte, irgendwie war mir von Beginn an klar, jetzt bist du hier und es ist bestimmt nicht so wie du es dir vorgestelltst hast, und so sagte ich bei der Vorstellungsrunde, ich schaue von tag zu tag wie es läuft! Nun der Rest ist schnell erzählt, weil es nicht viel zu erzählen gibt. Nach 10 Tage verließ ich Antaiji mit gemischten Gefühlen. Seit dem bin ich oft gefragt worden wie es in einem Zen-Kloster sei, was einen dahinführt usw. Ich erzählte dann von den „außeren“ Bedingungen wie Tagsablauf, Regeln beim essen, arbeiten auf dem Feld usw. Mittlerweile nehme ich immer mehr Abstand von solchen Berichten, weil man glaube ich es keinem vermittlen kann, man kann es nur selbst erleben! Für mich persönlich war es eine Konfrontation und ein Spiegel mit meinem Selbst und seinen Nöten, Ängsten und Unsicherheiten, und zwar mehr im Alltag des Klosters als beim sitzen auf dem Kissen! Und trotzdem war da etwas was einem getragen hat, durch das std. Lange sitzen, die chronische Müdigkeit und dem ständigen kritisieren, bis zu einem Punkt wo das Ego die Überhand gewinnt und sagt, jetzt ist ein Punkt erreicht und man geht.
Ein bereits älterer Mönch kam zu einem Zen-Meister und sagte:
Ich habe in meinem Leben eine Vielzahl von spirituellen Lehrern aufgesucht und nach und nach immer mehr Vergnügungen aufgegeben, um meine Begierden zu bekämpfen. Ich habe lange Zeit gefastet, jahrelang mich dem Zölibat unterworfen und mich regelmäßig kasteit. Ich habe alles getan, was von mir verlangt wurde, und ich habe wahrhaft gelitten, doch die Erleuchtung wurde mir nicht zuteil. Ich habe alles aufgegeben, jede Gier, jede Freude, jedes Streben fallengelassen. Was soll ich jetzt noch tun?
Der Meister erwiderte:
Gib das Leiden auf! Ich danke allen Bewohnern mit denen ich zusammen diese lehrreiche und schöne Zeit verbringen konnte, insbesondere Docho-San, die Erinnerung ist nachwievor sehr lebendig in mir.