Frage: Was mir nicht klar ist, ist in wiefern die buddhistische Auffassung von einem Geist, der den Tod überlebt, sich von einer universellen Seele (wie im Fall vom hinduistischen Atman) unterscheidet. Um eine ganz banale Metapher zu machen, kann man vielleicht an die buddhistische Auffassung vom Geist denken, das heißt an eine Fähigkeit aufmerksam, achtsam und bewusst zu sein, so wie man an den Strom denken würde, der durch eine Reihe von Glühbirnen fließt und erleuchtet. Was ist aber hier anders als eine universelle, ursprüngliche, kosmische Seele? Und noch, wie können wir eine buddhistische Lehre von der Selbstlosichkeit haben, und trotzdem an ein ursprunfliches Selbst denken?

Antwort: Lieber Herr, Sie sind nicht der einzige, der Schwierigkeiten hat, die Lehre von der Ich- oder Selbstlosigkeit mit dem Wiedergeburtsgedanken zusammen zu bringen. Wenn es kein Ich gibt, was wird wiedergeboren? Wenn es kein Ich gibt, wer ist sich dessen bewusst, dass der Muho gerade am Computer schreibt? Woher kommt dieses Bewusstsein? Woher kommt es, dass es unter den sieben Milliarden menschlichen Bewusstseinen (und den Bill- und Trilliarden anderer Bewusstseine) nur eines gibt, das sich von den anderen radikal unterscheidet – naemlich dadurch, dass es „mein“ Bewusstsein ist? Oder anders gesagt, warum kann „man“ sich immer nur eines Bewusstseins bewusst sein, waehrend die anderen Bewusstseine nur in der Vorstellung dieses einen Bewusstseins existieren?
Und: Ist eine Welt moeglich, in der es kein so radikal verschiedenes Bewusstsein gibt? Also eine Welt, in der es zwar Bewusstsein gibt, aber kein Bewusstsein, dessen „ich“ mich tatsaechlich bewusst bin. Also z.B. die Welt, bevor ich geboren wurde. oder die Welt nach meinem Tod? Die Antwort scheint klar zu sein, natuerlich muss es eine solche Welt geben, denn die allermeiste Zeit der Weltgeschichte gab es „mein“ Bewusstsein nicht, auch wenn es Bewusstsein gab.
Die Frage bleibt: Aber woher kommt dann DIESES, „mein“ Bewusstsein. Was macht diese 70 oder 80 Jahre der Weltgeschichte so besonders, dass es nicht nur Bewusstsein im Universum gibt, sondern auch ein Bewusstsein, dessen „ich“ mir tatsaechlich bewusst bin?
Eine Antwort koennte sein, dass es DIESES, d.h. „mein“ Bewusstsein, immer gegeben hat und immer geben wird. Immer, wenn sich etwas seiner selbst bewusst ist, werde „ich“ „mir“ „meiner selbst“ bewusst sein. Dazu bedarf es aber der Wiedergeburt. Und nicht nur der Wiedergeburt im herkoemmlichen Sinn, sondern sogar der radikalen Idee, dass „ich“ irgendwann an irgendeinem Ort einmal jedes andere Bewusstsein sein werde, dass es im Universum gibt oder gab oder geben wird – ein schwindelerregnder Gedanke!
Aber zurueck zu Ihrer Frage: Wie kann man die Lehre von der Ich- oder Selbstlosigkeit mit dem Wiedergeburtsgedanken zusammen bringen?
Antwort: „Ich“ bin so ratlos wie „Sie“!

Einwand 1: Es gibt kein ich, ich bin nicht das Bewusstsein, das Bewusstsein ist nicht einmal permanent.
Das Bewusstsein ensteht und vergeht von Moment zu Moment und es ensteht nur sobald die Gegebenheiten passend sind. Was wiedergeboren wird ist das Karma, meine Atome, die Elemente welche mich zusammensetzen, meine Worte und meine Gedanken, meine Handlungen. All dass resoniert weiter.
Muho: Ja, aber die Frage bleibt: Gegenwärtig entstehen und vergehen sieben Milliarden Bewusstseine von Augenblick zu Augenblick. Das Bewusstsein in einem Augenblick ist nicht dasselbe wie das im nächsten. Zusammengehalten wird dieses momentane Aufblitzen von Bewusstsein, das nicht „ich“ bin, von Karma. Nun die Frage: Wenn da kein „ich“ ins Spiel kommt, wie kommt es, dass dieses („mein“) Bewusstsein sich von jenem (z.B. „Deinem“) Bewusstsein unterscheidet? Wie kommt es, dass „mein“ Karma nicht „ dein“ Karma ist, und umgekehrt? Warum gibt es nicht nur ein kosmisches Bewusstsein, das sich wie ein Äther über die Materie/Energie der Welt erstreckt, sondern separate Bewusstseine, die von separaten Karmasträngen verbunden werden? Und warum gibt es in jedem Augenblick immer nur eines, dass tatsächlich aufblitzt? Warum stellt es sich nur in der Theorie, aber nicht in der Praxis, so dar, als wäre das Bewusstsein ein kosmisches Flackern am Firmament?

Einwand 2: Wenn Bewusstsein sich nicht mit einem spezifischen Wesen absolut identifizieren könnte dann gäb’s auch keine Bewusstseinsentwicklung. Bewusstsein muss den „Avatar“ temporär für sich selbst erachten sonst verliert das ganze „Spiel“ seinen Sinn.
Muho: Warum gibt es nicht nur ein Bewusstsein, sondern einen Plural von Bewusstseinen, die gegenseitig keinen direkten Zugang zueinander haben? Auf der materiellen Ebene sieht es doch nur so aus, als gaebe es getrennte Objekte, aber auf der Quantenebene scheint alles zu einer Energiewellenfunktion zu verschmelzen (einmal ganz salopp formuliert). Warum ist es mit dem Bewusstsein nicht ebenso? Es ist ja nicht so, dass es „ein“ Bewusstsein gibt, das sich wie zufaellig mit irgendeinem Avatar identifiziert (aus welchem Grund auch immer). Es ist doch so, dass jeder Avatar behauptet, genau ein Bewusstsein zu haben. Das ist ja der Grund fuer den starken Glauben (Illusion oder nicht), dass sich nicht etwa „das“ Bewusstsein „einen“ Avatar aussucht und sich mit ihm identifiziert, sondern dass jeder Avatar ein individuelles Bewusstsein „hat“.

Einwand 3: Ich glaube Bewusstsein wird gerne verwechselt mit Verstand,Geist und die Persönlichkeit (VGP).
VGP werden nicht wiedergeboren. Diese sind anhaftend an dem Gehirn das sich über die Jahre als komplexes Wesen entwickelt und den VGP ausbildet und auch speichert.
Dieser Teil stirbt und Erlischt mit dem dahinscheiden. Das Bewusstsein alledings ist etwas das all diese VGP phänomene warnimmt.
Jetzt stellt sich die Frage aus der üblichen Sichtweise „Wer nimmt das war?“ – doch ist da der Ansatz falsch, setzt er doch wieder voraus das man annehme das bewusstsein hätte einen eigenen VGP. Doch da beißt sich die Katze in den Schwanz. Es ist als würde man annehmen der Strom hätte Knopfe weil das Radiogerät welche besitzt.
Muho: Auch hier dieselbe Frage noch einmal:
Warum gibt es nicht nur ein Bewusstsein (=eine Wahrnehmung), sondern einen Plural von Bewusstseinen (Wahrnehmungen), die gegenseitig keinen direkten Zugang zueinander haben? Auf der materiellen Ebene sieht es doch nur so aus, als gaebe es getrennte Objekte, aber auf der Quantenebene scheint alles zu einer Energiewellenfunktion zu verschmelzen (einmal ganz salopp formuliert). Warum ist es mit dem Bewusstsein (=der Wahrnehumng) nicht ebenso? Es ist ja nicht so, dass es „ein“ Bewusstsein gibt, das sich wie zufaellig mit irgendeinem Avatar identifiziert (aus welchem Grund auch immer). Es ist doch so, dass jeder Avatar behauptet, genau ein Bewusstsein zu haben. Das ist ja der Grund fuer den starken Glauben (Illusion oder nicht), dass sich nicht etwa „das“ Bewusstsein „einen“ Avatar aussucht und sich mit ihm identifiziert, sondern dass jeder Avatar ein individuelles Bewusstsein „hat“.
Oder, mit der VGP-Formulierung: Auch wenn das Bewusstsein nicht VGP ist, sondern eine reine, klare Wahrnehmung, deren Inhalt (unter anderem) VGP sind, dann ist es doch so: Es gibt auf der Welt einen Plural von VGPs, und entsprechend einen Plural von Wahrnehumungen dieser VGPs. Jedem individuellen VGP entspricht offenbar genau eine Wahrnehmung, dessen Inhalt es darstellt. Egal, wie wir die Frage beantworten, ob das VGP eine Wahrnehmung hat oder ob die Wahrnehmung zuerst kommt und der Inhalt (=VGP) erst spaeter dazu kommt. Die FRage bleibt, warum gibt es individuelle Wahrnehmung, und warum gibt es nur eine Wahrnehmung unter den Milliarden von anderen Wahrnehumngen, die tatsaechlich WAHR ist (=die, in diesem Augenblick, tatsaechlich wahrgenommen wird, wie z.B. Muhos Tippen auf der Tasattur hier). Egal ob ich der Muho „bin“ oder nicht, die Frage ist doch, warum nehme „ich“ nur das wahr, was Muho sieht und hoert und denkt, und nicht den Ganzen REst auch (was die Milliarden anderer Menschen sehen u d hoeren und denken, z.B.).
Irgendjemand sagte einmal, dass dazu die Kapazitaet des Bewusstseins nicht reicht. Aber was hat das mit Kapazitaet zu tun!? Wie kommt es denn umgekehrt, dass mein Bewusstsein die Kapazitaet hat, einen einzelnen Klang wahrzunehmen. Wenn dafuer die Kapazitaet reicht (denn das ist ja bereits ein Wunder, und das ist der Inhalt des Koans vom Fegen vor der Huette und dem Klang des Steinchens, das gegen einen Bambus trifft!) – also wenn dafuer die Kapazitaet ausreicht, warum reicht sie nicht dazu, ALLES – vollkommen losgeloest von einem Avatar oder VGP oder was auch immmer – wahrzunehmen?