Lügen darf man, aber Versprechen muss man halten?

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Ich: Man sollte nicht lügen oder Versprechen brechen, nicht wahr?
Penetre: Vergiss nicht, dass Lügen etwas ganz anderes ist als ein Versprechen zu brechen! Gewöhnlich gehen wir davon aus, dass wir nicht belogen werden, aber wer verspricht denn von sich aus, dass er nicht lügt? Wenn jemand dagegen ein Versprechen macht, dann geht er eine Verpflichtung ein. Er hätte ja auch darauf verzichten können. Nur wenn man vor Gericht unter Eid aussagt, bedeutet eine Lüge soviel wie ein gebrochenes Versprechen.
Ich: Aber es kommt doch vor, dass man ein Versprechen brechen muss. Zum Beispiel dann, wenn ein dringendes Ereignis das Einhalten des Versprechens unmöglich macht.
Penetre: Selbstverständlich. Aber in dem Fall ist etwas von so großer Wichtigkeit eingetreten, das sich zum Zeitpunkt des Versprechens nicht vorhersehen ließ. Angekommen, Anton verspricht Berta, sie um halb vier vor dem Bahnhof zu treffen. Zu dem Zeitpunkt könnten sie sich auch für vier Uhr verabreden, oder vereinbaren, sich auf dem Bahnsteig zu treffen. Aber selbst dann, wenn sich die beiden aus keinem besonders wichtigen Grund miteinander verabreden, sind sie danach trotzdem daran gebunden. Egal, wie trivial der Grund gewesen sein mag, ein Versprechen ist allein deshalb wichtig, weil es gegeben wurde. Wenn es nur um einen selbst ginge, könnte man die Planung jederzeit ändern. Wenn man sich verabredet hat, geht das nicht. Die andere Person wird ja ebenfalls versuchen, sich an die Verabredung zu halten, selbst wenn sie etwas zu tun hat, das eigentlich wichtiger ist.
Ich: Das heißt, dass man ein Versprechen nicht brechen darf, solange kein wirklicher Notfall eintritt?
Penetre: Es sei denn, es geht dir darum, das Versprechen zu brechen. Denn versprechen kannst du alles mögliche, nur versprechen, dass du diese Versprechen auch hälst, das kannst du nicht. Insofern unterscheidet sich einer, der sich nicht an seine Versprechen hält, nicht von einem Lügner.
Ich: Was?